Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge einhundert
Locker locker. Das große Herbstinterview mit dem Kind

Liebe Leserinnen und Leser! Seit so  langer Zeit widmen Sie auf dieser Seite an dieser Stelle Ihre Aufmerksamkeit der Kolumne Das Kind. Es ist überfällig, dass das Kind einmal selbst zu Wort kommt. Anlässlich des Jubiläums – Folge 100 – darf es heute ganz unverblümt sprechen: Im Interview mit der Nordelbischen.

 

Nordelbische: Wir dürfen „du“ zu dir sagen?

Das Kind: Locker locker!!

„Locker locker“ klingt nach Zitat. Spruch vom Vater?

Er zitiert mich ja auch ständig, darf ich das also auch.

Wie alt warst du, als du erfuhrst, dass dein Leben in der Zeitung ausgebreitet wird?

Da war ich fünf Jahre alt. Mein Vater hat mich in seinem Arbeitszimmer in den Sessel gesetzt und sich selbst an den Computer und mich dann eine Geschichte erzählen lassen, und er hat das eins zu eins mitgeschrieben und auch genau so veröffentlicht: „Die Prinzessin fährt Bahn.“ Logischerweise eine der besten Geschichten. Da hat er mir auch das Warum und Wieso erläutert. Aber mit fünf Jahren konnte ich das natürlich noch nicht richtig einschätzen, was das überhaupt bedeutet.

Welche Folgen außer der eigenen haben dir noch gefallen?

Manche sind schon ziemlich komisch, ich habe die natürlich alle nachgelesen auf der Internetseite. Mir gefallen die frühen Folgen besser. Ist wahrscheinlich nicht so dicht dran an meinem jetzigen Leben, das kleine Kind von damals ist für mich eher so eine Art kleine Schwester. Fragen Sie in zehn Jahren noch mal, wahrscheinlich gefallen mir dann die jetzt aktuellen Folgen am besten. Aber, na ja, manche Geschichten sind auch richtig grottig.

Welche?

Vor allem am Anfang haben diese ständigen Berichte genervt, wo und wie er als Vater sich benachteiligt gefühlt hat oder verunglimpft.

Kam uns eher humorig vor...

Vielleicht liegt es daran, dass es heute viel selbstverständlicher ist als vor zehn Jahren: dass ein Mann mit seinen Kindern durch die Welt turnt und die Frau das Geld verdient. Da lesen sich heute die zehn Jahre alten Geschichten anders.

Hat die Serie Einfluss auf dein alltägliches Leben als Tochter einer Pastorin?

Nö. Stehen ja ohnehin ständig Leute im Garten und knipsen das Pastorat. Wenn ich dann gerade aus dem Haus gehe, bin ich auch mal drauf auf so einem Bild. Und wenn die die Zeitung aufschlagen, ist eben auch mal von mir die Rede. Ist sowieso alles irgendwie halb öffentlich bei uns. Aber man gewöhnt sich an vieles, sogar an seine Eltern: Mama Pastorin und Papa schreibt darüber! Aber die meisten meiner Freundinnen haben seltsame Eltern, die seltsame Dinge tun. Passen meine ganz gut dazu.

Was sagen denn deine Freundinnen zu der Serie?

Denen ist das erstaunlicherweise ziemlich egal. Klar lesen die alle mit. Aber viel Neues erfahren sie da nicht. Die wirklich peinlichen Geschichten kennen eben nur meine Freundinnen und mein Bruder – nicht mein Vater.

Inzwischen gibt es viele Folgen auch als Buch, ein Rätselspiel ist in Vorbereitung und einige der besten Aussprüche von dir gibt es auf T-Shirts. Ist dir auf dem Schulhof schon mal jemand mit so einem T-Shirt entgegengekommen?

Kein Mitschüler. Aber einmal kam der Vater einer Mitschülerin, um sie abzuholen, und der hatte tatsächlich so ein Ding an, das rote mit dem Spruch „So ist dein Leben! Einfach mal den Müll auf die Fensterbank legen! Zum Schmuck, natürlich!“ Fand er wohl passend für sich und seine Tochter. So weit ich seine Tochter kenne, hat er da allerdings auch recht.

Die Serie begann im Herbst 2006, da warst du dreieinhalb Jahre alt. Jetzt bist du fast vierzehn, demnächst wird die fünfhundertste Folge erscheinen – kein Ende abzusehen?

Fragen Sie meinen Vater. Immerhin gibt es eine Sollbruchstelle, wir haben eine klare Verabredung getroffen. Wenn die Konflikte zwischen meiner Pubertät und seiner Senilität allzu sehr ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden, ist Schluss. Und er darf GAR nichts mehr über meine kulinarischen Abneigungen schreiben.

Über das Ende entscheidest also du? Und du übst auch Zensur aus?

Ja, seit rund zwei Jahren. Irgendwann ist es meinem Vater wohl selbst etwas unheimlich geworden, und seitdem erfahre ich das Neuste von mir nicht aus der Zeitung, sondern lese es VOR dem Redaktionsschluss. Da werden ja zum Teil doch eher private Dinge in die Öffentlichkeit gezerrt. Na ja, und natürlich haben verschiedene körperliche Themen außen vor zu bleiben. Also, bei mir jetzt. Über seine Senilität kann Papa schreiben so viel er will. Aber die Serie heißt ja immer noch Das Kind.

Selbst auch Lust zum Schreiben bekommen? Eine Kolumne Mein Alter?

Jein. Ich hab mal so was angefangen, nicht gedruckt, sondern im Netz, ist aber nicht so mein Ding, schon wegen der Regelmäßigkeit. Hat mein Alter Glück gehabt. Was hätte ich nicht alles zu erzählen... Aber das kann ich auch auf dem Schulhof ausbreiten. Oder beim Konfirmandenunterricht.

Du wirst im kommenden Jahr konfirmiert. Von wem?

Von wem wohl?? Von der Lieblingspastorin natürlich.

Die ersten Folgen der Kolumne Das Kind waren noch recht kirchlich ausgerichtet, später ebbte das etwas ab.

Kirche ist eben nicht alles im Leben...

Und wie ist dein eigenes Verhältnis zur Kirche?

Kirche ist nicht alles im Leben...

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