Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

 

plus > Download

 

Folge einhundertundsechsundzwanzig
Ostern war's

 

Die ganze letzte Woche stand natürlich auch bei uns schwer im Zeichen von Ostern. Das Kind und ich beschicken die Schaukästen und verteilen Flyer: beim Bäcker, im Schweizer Haus, beim Frisör und in der Wohnstuuv. Aber ob mit erweitertem Marketing oder ohne: Vielleicht kommen zur Frühandacht vier Leute, vielleicht fünfzehn. Der Kirche ist’s egal, doch hinterher findet ein Frühstück im Pastorat statt, und kochen Sie mal Kaffee für vier bis fünfzehn Personen. Nicht, dass es nachher heißt, Herr Pastorin bringt’s nicht.

Sodann ist die Wohnung zu putzen und mit von Kinderhand bemalten Hühnereiern festlich zu schmücken. Die müffige Matte des Hundes muss entmüfft werden. Der Hund muss entmüfft werden. Dann ergreife ich den roten Eimer mit der grünen Flasche und dem gelben Lappen. „Papa, wo gehst du hin??“ – „Ich geh das Gästeklo putzen.“ Das Kind lacht herzlich. „Was ist daran so witzig?“, frage ich. Sagt das Kind: „Kloputzen ist lustig!!“ Sage ich: „Wenn du das lustig findest, dann kannst du das vielleicht machen?“ Sagt das Kind: „Nö, Kloputzen ist eklig. Aber wenn andere das machen, dann ist es lustig!!“ Das Kind hat einige wesentliche Dinge, nach denen unsere Welt funktioniert, durchaus schon begriffen.

Nun kommt auch wieder das blaue Schäufelchen zum Einsatz. Manchmal sind wir nämlich etwas knapp bei Zeit und lassen den Hund nur schnell mal in den Garten. Also habe ich die Ehre, den Garten systematisch abzuwandern, dass keine Hinterlassenschaft hinterlassen bleibt. Wäre peinlich, wenn die kleinsten Gemeindeglieder tapsend und stolpernd Ostereier suchen und ganz anderes finden.

Irgendwann aber ist alles geputzt, eingekauft und bereitet. Ich bin vom Bereiten etwas schläfrig und könnte jetzt gut einen ruhigen Tag verbringen. Stattdessen heißt es früh aufstehen, die Andacht ist um 6 Uhr. Das Kind ist putzmunter, platzt vor Spannung (wegen der Ostereiersuche) und nimmt die frühe Stunde klaglos hin. Das Osterfrühstück im Pastorat ist eine günstige Gelegenheit, gleich fünfzehn Gäste mit den neuesten Familiengeschichten zu versorgen. Danach räumen wir ein wenig, ich könnte jetzt gut ein wenig dösen und muss doch dem Osterhasen unter die Arme greifen, damit die Kinder nach dem Familiengottesdienst nicht leer ausgehen.

Schließlich naht er, der österlichen Familiengottesdienst. Der Ganzlütte hat seinen Vormittagsschlaf pünktlich beendet und ist richtig fit und krakeelt fröhlich. Also setze ich mich in der Kirche in eine der hinteren Bänke und versuche ihn zu bändigen. Und transpiriere: Die Lieblingspastorin hat mich in den Gottesdienstablauf eingebunden, ich werde mit anderen Eltern gemeinsam die Fürbitten sprechen. Wird der Ganzlütte die Kirche zusammenbrüllen, weil Papa sich mehr als drei Meter entfernt? Ich ziehe alle Register und habe mein altes Handy dabei zum Einspeicheln. Das Interesse hält dreieinhalb Minuten an, das reicht.

Danach ist endlich endlich Ostereiersammeln für die Kleinen und Kaffeetrinken für die Großen, alles wuselt im Pastoratsgarten durcheinander, die Sonne scheint, das eigene Kind nörgelt, weil andere Kinder im „eigenen“ Garten mehr Eier finden als es selbst, der Hund rülpst vernehmlich.

Irgendwann ist der Garten wieder leer. Alle sind weg. Es ist still. Ich könnte jetzt gut ein Stündchen aufs Sofa. Da kommt der Rest der Familie angefahren.

Bin trotzdem aufs Sofa.

zurück