Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge einhundertundzweiunddreißig
Hüpfburgtag in Bremen

 

Nun fuhren wir also nach Bremen und fanden auch eine Kneipe, in der wir den sanglosen Untergang bremischer Fußballkunst in Istanbul zumindest teilweise verfolgen konnten. In den Tagen danach nutzen wir die Gelegenheit, schoben uns auf dem Kirchentag durch die Massen und besuchten, nein, keine Vorträge und Podiumsdiskussionen, sondern Bastelecken.

Kirchentag mit Kindern, das geht natürlich. Es gibt ja ein Programm extra für Kinder ab fünf Jahren. Und der Ganzlütte, gerade mal ein Jahr alt, der thront im Kinderwagen oder schläft darin. So hatten wir es uns gedacht und einen Plan gemacht, wer wann welches Kind wohin mitnimmt oder bringt. Ja, sagt Brecht, sei nur ein schlaues Licht, und mache einen Plan.

Also kam es anders und fing schon interessant an: Ich beredete meine Große, den Kirchentag mit einer für Kinder völlig uninteressanten Bibelarbeit eines von mir völlig geschätzten Schriftstellers zu besuchen, und als wir nach langem Fußweg über das halbe Messegelände vor der Saaltür stehen, steht dort auch: „Fällt aus!“ Der Ganzlütte wiederum thronte oder schlief mitnichten in seinem Kinderwagen, sondern versuchte fortwährend auszusteigen, um aktiv einzugreifen in die große spannende Welt um ihn her.

Im weiteren Verlauf des Tages gewitterte es kraftvoll, so dass das Theaterstück mit dem Grüffelo wörtlich ins Wasser fiel und das Kinderkonzert auf der Open-Air-Bühne auch. Erst am frühen Abend fanden wir Ruhe, im Schulhof der Schule, die für ein paar Tage unsere Heimstatt war: Es gab Grillwürstchen und Lagerfeuer und das Kind darf lange aufbleiben.

Eigentlich wollte ich noch zum Giora-Feidman-Konzert gehen, aber das war am späteren Abend und mit zwei kleinen Kindern nicht zu organisieren. Nicht wegen der Müdigkeit der Kinder, die waren nicht müde. Ich selbst war es – wegen der weiten Wege und des Organisierens. Herr Feidman ist trotz vorgerückten Alters nicht so müde wie ich, weshalb er wieder auf Tour ist und ich ihn im Juli in Tönning zuhören darf. Tönning statt Bremen. Nun ja.

Am zweiten Tag waren wir schon viel lockerer, weniger ist ja mehr: Wir installierten uns auf der großen Wiese vor der Hüpfburg, hoben den Ganzlütten aus dem Kinderwagen, besorgten einen Eimer Kaffee und ließen den Dingen ihren Lauf. Ab und zu kam das Kind angelaufen, präsentierte aktuelle Kunst, nahm sich ein großes Stück Kuchen und verschwand in der Hüpfburg.

Kirchentag mit Kind: Nutella und Kakao zum Frühstück, die Hüpfburg, der Kirchentagsschal und ein kleiner Anhänger am Rucksack, die Hüpfburg, ein ins Haar geflochtenes Band. Straßentheater, Fahrradkünstler, die Hüpfburg, die hinterste Bank in der Straßenbahn.

Und natürlich die Bastelecken. An vielen Orten wurde gebastelt und geklebt und gemalt und gestaltet, dass es nur so eine Freude war. Schnell aber wurde auch deutlich, dass die Kreativen zu großformatigen Arbeiten neigten. Was wiederum alle Eltern in Bedrängnis brachte: Wie bringt man etliche Kunstwerke im Format A 2 oder A 1 durch alle Menschenmengen hindurch, in volle Züge hinein und aus vollen Zügen wieder heraus unbeschadet nach Hause? Zum nächsten Kirchentag werde ich mit einem großen, leeren Hartschalenkoffer anreisen ...

Der nächste Kirchentag in zwei Jahren wird in Dresden sein, so Gott will und wir leben. Sein Motto steht längst fest: „Kann ich Eis??“

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