Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge einhundertundsiebenunddreißig
Spielen geht ins Geld

Bevor hier Missverständnisse aufkommen: Es ist nicht vom Spielen um Geld die Rede oder gar von Glücksspielen, Spielsucht oder ähnlich erwachsenen Dingen. Es ist auch nicht davon die Rede, dass gutes Spielzeug so teuer ist, dass man es kaum einem Kinde zum Spielen geben mag.

Vor zwei Wochen war die Rede vom Ernst des Lebens, der uns droht in Gestalt von Ranzen, Federtasche und Schule. Es war auch die Rede vom kindlichen Spielen, und da fiel mir auf, dass in dieser Kolumne natürlich immer wieder vom Spielen die Rede war. Aber auch, dass es noch nie – heute Folge 137 – eine Folge gegeben hat, die sich ausschließlich mit dem Spielen beschäftigt. Das kann nicht sein, das darf nicht sein.

Also beschäftigen wir uns heute mit dem Spielen. Natürlich mit dem Spielen vom Kind UND dem Vater. Klar gibt es auch ernsthafte Dinge in der Welt, oh ja, da fallen mir schon einige ein. Aber ist das Spiel nicht wichtig? „Werdet wie die Kinder“, sagt Jesus: „Spielt!“ Oder so ähnlich.

Das Kind im Manne. Der Reiz der Vaterschaft liegt genau darin, dass man sich endlich wieder ausgiebig und sozusagen völlig legal mit Lego beschäftigen kann oder mit der eingemotteten Modelleisenbahn.

So weit, so theoretisch. Allerdings ist da noch einer, nämlich der Ganzlütte. Der ist aus dem Herumliegealter längst raus, er ist im Mitmachalter. Mitmachen eines gut einjährigen Kindes bedeutet: krabbeln, aufrichten, greifen. Könnte er schon sprechen, sagte er: „Ich auch!!“ Die Ergebnisse seiner Bemühungen sind hinreißend, aber mitunter auch, sagen wir: ein wenig destruktiv. Es ist der Lauf der Dinge und seiner kleinen Natur. Aber erklären Sie das mal einer Sechsjährigen!

Für die ist das gedeihliche Spiel mit Papa zu Ende, wenn der Ganzlütte begeistert angekrabbelt kommt. Wir haben genügend Legosteine einen Turm zu bauen bis unter die Zimmerdecke. Jedoch der Ganzlütte kommt und will mitmachen – der Turm stürzt ein.

Wir haben auch verschiedene Puzzles oder Memorys. Jedoch der Ganzlütte kommt und will mitmachen – reißt Karten vom Tisch und versenkt Puzzleteile in seinem Rachen.

Wir haben bunte Bälle in verschiedenen Farben und Größen im Garten. Jedoch der Ganzlütte kommt und will mitmachen – kann aber nicht laufen, kann nicht schnell seien, kann sich aber aus Frust markerschütternd beschweren, dass die Nachbarn über den Zaun lugen.

Wann also kann ich mit meiner Sechsjährigen genüsslich ungestört spielen? Wir beratschlagen und finden Lösungen. Lösung eins: Spielen, wenn der Ganzlütte seinen Mittagsschlaf hält. Aber in der Zeit ist auch die Mittagspause für den Rest der Familie. Lösung zwei: Die Große muss alleine spielen, bis der Ganzlütte ein Nichtmehrganzsolütter ist. Nein, das geht natürlich gar nicht.

Lösung drei: Wir spielen nachts. Ich wecke das Kind gegen 22 Uhr, wenn ich meine Arbeit getan habe, machen statt Nachtwanderung Nachtmemory, und am nächsten Morgen gucken wir mal, wer die größeren Ringe unter den Augen hat.

Wir grübeln weiter – und irgendwann haben wir DIE Lösung! Lösung vier: Wir buchen unsere Babysitterin für drei Nachmittage in der Woche. Sie kümmert sich um den Ganzlütten und ich kann mit meiner Großen endlich ganz ungestört spielen.

Aber ich sage Ihnen: Spielen geht ins Geld!

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