Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

plus > Download

 

Folge einhundertundeinundfünfzig
Gott sei Dank, es ist Sonntag!

In der vergangenen Woche war an dieser Stelle vom Schaukasten der Gemeinde die Rede, vom Plakat Sonntagsschön und den Tipps für gelungene Sonntage: Schlafen, bis es nicht mehr geht (also bis Viertel vor sechs) und Über einen Friedhof streifen („Papa, ich pflück dir Blumen!!“).

Was kann man nun tun als Vater zweier Kinder in einem Dorf an der Westküste, dass der Sonntag anders werde als der Werktag?

Auf der Internetseite der EKD gebe ich ins Suchfeld „Sonntag“ ein, und schon mit dem dritten Treffer lande ich bei der Kampagne für den arbeitsfreien Sonntag. Sie erinnern sich: Vor genau zehn Jahren gab es Kinospots und Plakate im großen Stil: Ohne Sonntag gibt’s nur noch Werktage.

Nun, auf der Internetseite finden sich Zehn Argumente, man kann Orgelmusik hören, es gibt es einen Shop für Materialien zum Thema (der passenderweise sonntags nicht erreichbar ist!) und einen Ideenkatalog schlägt sonntägliche Gestaltung vor.

Nun muss ich sagen, dass es mir nicht gerade an Ideen für freie Zeiten gebricht – von „endlich mal wieder in Ruhe lesen zu einer Tageszeit, zu der mir nicht automatisch die Augen zufallen“ bis hin zu „den Dachboden aufräumen“. Die Liste mit solchen Beschäftigungen ist schon recht lang, offenbar fehlte bisher nur passende Sonntag. Dennoch lese ich die Ideenvorschlägen gerne.

Da sind durchaus ein paar nette Sachen dabei: Drachen steigen lassen (machen wir nächstes Wochenende!). Gemeinsam kochen (ja, ja, und wer macht wieder den Abwasch?). Mit den Großeltern der Kinder etwas unternehmen (aber die wohnen rund 150 Kilometer entfernt und müssen erstmal an’n Laden kommen). Bücherparty: Alle Bücher, die Sie entbehren wollen, werden bei Kaffee und Kuchen gesichtet und können von Freunden und Nachbarn mitgenommen werden. Wer mich kennt, weiß, dass ich keine Bücher entbehren will. Überhaupt: Wer liest denn noch?

Dann aber der ultimative Vorschlag: Gestalten Sie den Sonntag mit der Familie. Jeder darf einen Teil des Tages gestalten: der eine sucht sich zu Mittag sein Lieblingsgericht aus (das zu essen der andere sich weigern wird), die andere möchte am Nachmittag spazieren gehen (der andere möchte lieber spazieren stehen). Ein bisschen kompromissbereit sollte man sein. Der Sonntag als gute Gelegenheit, kleinen Kindern Kompromissbereitschaft beizubringen? Das wird mit Sicherheit der anstrengendste Tag der Woche...

Schließlich klicke ich weiter und widme mich noch den erwähnten Zehn Argumenten für den arbeitsfreien Sonntag: Zeiten der Arbeit und Zeiten der Ruhe, Rhythmus für die Woche, Gottes Wort feiern, nicht-einkaufen-müssen, Atempause, Familientag. So weit, so klar. Und noch weiter, noch klarer:

Die Kirche macht sich für den arbeitsfreien Sonntag stark. Sie dankt allen, die an diesem Tag arbeiten, damit wir uns wohl und sicher fühlen können.

Also freue ich mich, dass die Kirche meine Tätigkeiten als Hausmann und Vater voll zu würdigen weiß. Alle fühlen sich wohl und sicher dank meiner Tätigkeit: Der Ganzlütte fühlt sich wohl, weil ich ihn wickele, der Rest der Familie fühlt sich sicher, weil ich den vollen Windeleimer leere, bevor er explodiert. Und sonst? Der Staubsauger bleibt sonntags in der Kammer!

Da freut sich der Hund, der Angst hat vor dem Sauger: Gott sei Dank, es ist Sonntag!

zurück