Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge einhundertunddreiundfünfzig
Teddy - ein Update

Neulich habe ich mein Arbeitszimmer aufgeräumt. Also gut, nicht ganz das halbe und das auch nur zur Hälfte. So ist das, wenn man hier ein wenig wühlt und dort ein wenig liest und dann noch weiter liest und so fort.

Bei diesem Wühlen bin ich auf den Ordner mit den ersten Beiträge dieser meiner Kolumne gestoßen und habe mich ein wenig festgelesen. War da doch von einem zugleich völlig vertrauten und zugleich fremden Kind die Rede!

Völlig vertraut ist klar, das ist ja mein Kind, von dem ich schrieb. Völlig fremd aber, weil dieses Kind dreieinhalb Jahre alt war, als ich mit dem Schreiben anfing – und in diesem Winter sieben wird.

Vertraut und fremd waren auch viele der Dinge, die damals wichtig waren. Das eine oder andere Thema kommt Jahre später in frischer Form durch die Hintertür wieder herein oder steht sowieso noch immer im Mittelpunkt unseres Alltages, auch wenn es sich gewandelt hat und gehäutet.

Da es Leserinnen und Lesern geben soll, die seit drei Jahren dabei sind, scheint es mir angebracht, einige der alten Themen aufzugreifen, um zu sehen, was aus ihnen geworden ist und welche Rolle sie heute spielen im Leben des Kindes.

Also bekommen Sie ab sofort und in lockerer Folge die Aktualisierung alter Themen geliefert – Update heißt das heutzutage. Hier ist schon das erste!

Von Teddy war ja schon mehrfach die Rede, besonders ausführlich in Folge 22 – da ging es um den Wiederbeschaffungswert. Also um den Aufwand, der nötig ist, Teddy wieder ranzuschaffen, nachdem er irgendwo liegen gelassen worden ist (zusätzliche Autofahrten, zusätzliche Bahnfahrkarten, Bestechungsgelder, Übernachtungskosten etc.). Und zuvor, in Folge 19, war von der Puppe Lara die Rede, die im Kindergartenbus liegen gelassen worden war und ersetzt werden musste, weil einige größere Kinder sie entbeint hatten und der Torso in der Mülltonne der Busfirma gelandet war.

Nun fährt das Kind längst nicht mehr mit dem Kindergartenbus, sondern geht in die Schule. Immerhin schon seit einige Wochen... In den Wochen vor Schulbeginn aber tobte in unseren Mauern ein heftiger Kampf zwischen dem Kind und mir – natürlich rein verbal, zumindest was mich angeht. Es ging dabei um die Frage, ob Teddy mit in die Schule darf oder aus Sicherheitsgründen nicht besser zuhause bleiben sollte.

Denn, so dachte ich mir, eine Puppe ist eine Puppe und im schlimmsten Fall – siehe Folge 19 – ersetzbar. Teddy aber ist Teddy, das einzig originale Original, und genauso sieht er auch aus und genauso riecht er auch. Und ein Schulhof ist nicht der Spielplatz eines Kindergartens. Und der Unterschied zwischen Sechsjährigen und Zehnjährigen schien mir signifikant größer zu sein als der zwischen Dreijährigen und Sechsjährigen.

So sah ich vor meinem inneren Auge eine Horde Viertklässler mit Teddy auf dem Schulhof Fußball spielen, während meine kleine Erstklässlerin tränenüberströmt und so weiter, Sie können es sich denken.

Teddy ist allerdings dermaßen angelötet an die Hand des Kindes, dass es wohl sinnvoller gewesen wäre, dem Kinde vorzuschlagen, gleich ohne Hände in die Schule zu gehen oder die Füße zu Hause zu lassen – nichts wäre ihm so abwegig erschienen wie meine Vorstellung, es könnte Teddy daheim lassen.

Nun, es kam, wie es kommen musste...

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