Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

 

plus > Download

 

Folge einhundertundsechsundsechzig

Luftballons im Schnee

 

Natürlich war Nunu da zur großen Geburtstagsfeier und also schwebten Luftballons. Vorab aber fragte ich das Kind behutsam, ob auch Jungs eingeladen werden. Im Kindergarten hat sie immerhin auch mit Jungs gespielt, ja, sich nachmittags sogar mit Jungs verabredet. Ich ernte einen Blick, der mir sofort klar macht, dass die Frage überaus dämlich war. Also keine Jungs.

Dafür wird altersübergreifend eingeladen. Das Kind kennt den gemischten Unterricht der Schule, es gibt Freundschaften von sechs Jahre bis zehn Jahre, die Großen üben eine gewisse Faszination aus. Dieser selbstverständliche Umgang mit älteren und jüngeren Kindern befördert nicht nur das Lernen, sondern lässt das Kind auch unbefangen mit älteren und jüngeren Kinder gleichermaßen spielen. Oder sie sogar zum Geburtstag einladen. Von fünf bis fast acht Jahren war alles vertreten.

Nun findet Kindergeburtstag jedes Jahr statt, siehe Folge 118, und von den fünf Gästen des letzten Jahres sind immerhin noch drei dabei – schön, wenn Kindergartenfreundschaften den Übergang zur Schule überstehen.

Dann geht es los. Begrüßung und Geschenke, Geburtstagslieder und Gekreisch, Kuchen und Saft. Und mittendrin der Ganzlütte auf seinem Stühlchen. Er, der vor einem Jahr noch im Laufstall lag, blickt begeistert von einer zur anderen.

Ganz nebenbei: Die Geburtstagsfeier eines Kindes vermag drei mehr oder weniger erwachsene Menschen gut zu beschäftigen: Mama fürs Programm, Papa fürs Räumen sowie den Babysitter, der ab und an den Ganzlütten aus dem großen Haufen herauszieht, wenn das Getümmel zu wild und das Gekreisch zu laut wird. Es ist mir schleierhaft, wie Alleinerziehende mit zwei Kindern eine Geburtstagsfeier überleben.

Dann gehen wir in den Garten, in diesem Jahr liegt reichlich Schnee, wir spielen Schlittenhunderennen, kreischen, tanzen den Luftballonschneetanz, kreischen und packen schließlich das große Schwungtuch aus. Gesunde Gesichtsfarben gratis.

Acht kleine Mädchen können ziemlich lebhaft sein. Wie lebhaft, bekomme ich alsbald ganz unmittelbar zu spüren. Da lehne ich an der Hausecke und schaue dem bunten Treiben im Garten gelassen zu. Bis Blicke auf meine Lässigkeit fallen und in mehreren Köpfen die Idee reift, sich doch diesen Papa mal vorzunehmen, zu acht, versteht sich. Ich sage Ihnen, acht kleine Mädchen sind nicht klein, und wenn sie einen jagen und unter Zuhilfenahme von viel Gekreisch und mittelgroßer Mengen Schnee so richtig einseifen, dann hat alle Lässigkeit ein Ende. Von Autorität ganz zu schweigen.

Und irgendwann weint mein Geburtstagskind, weil es nicht mehr erkennen kann, ob das Ganze ihrem Papa eigentlich noch Spaß macht oder ob er ernsthaft auf der Flucht und am Leiden ist. Beides, mein Schatz.

Später backen wir selbst belegte Pizza, es gibt viel Gekreisch, acht kleine Mädchen sind ein Selbstgänger. Zumindest, wenn es fröhliche, lebendige Kinder sind. Wir haben viel mehr vorbereitet und vorgedacht als hernach benötigt. Weil die acht nämlich ganz eigenständig beschließen, im Pastorat Verstecken zu spielen, mit Gekreisch. Es gibt schöne Verstecke in unserer Wohnung, wusste ich gar nicht. Wissen, das ich vielleicht noch mal gebrauchen kann. Zum Beispiel, wenn ich mal wieder auf der Flucht bin!

In Folge 216 werde ich dann berichten, wie ein achter Geburtstag aussieht...

zurück