Rainer Kolbe - Das Kind

 

227 Klarinette zu Ostern

Musik kam als Thema bisher eher selten vor. Dabei ist das Kind alles andere als unmusikalisch: Es hat eine schöne Stimme, mit der es schon als kleines Kind wunderbar „Wir lagen vor Madagaskar“ anstimmen konnte und natürlich auch die weihnachtliche Zeile „Maria und Josiff betrachten sich den ganzen Tag“ – siehe Folge elf.

Auch Instrumente sind im Haus vorhanden: Das Kind hat eine zeitlang Flöte gespielt, bis unser Umzug seine steile Karriere abrupt unterbrach. Die Lieblingspastorin spielt Cello und natürlich Gitarre, wenn sie ihren Konfirmanden beizubringen versucht, dass es so etwas wie neuzeitliche christliche Lieder gibt. Der Ganzlütte macht sowieso gerne Krach, und auch ich habe mal ein bisschen Gitarre gespielt. Leider war ich immer ein wenig zu unfleißig zum Üben.

Das sollte mir nicht wieder passieren, beschloss ich vorletztes Jahr und zugleich, Klarinetten-Unterricht zu nehmen. Den Klang der Klarinette fand ich immer nett, und in welcher Reihenfolge welche Löcher zugehalten werden müssen, das müsste sich doch lernen lassen?! Nun, in den zurückliegenden Monaten habe ich erkannt, dass es mit Löcherzuhalten nicht getan ist. Immerhin bin ich fleißiger gewesen als damals an der Gitarre. Kann natürlich daran liegen, dass ich meinen Unterricht jetzt selbst bezahlen muss, während der damalige und fruchtlose Unterricht von meinen lieben Eltern bezahlt wurde...

Nun. Die lieben Kinderlein wühlen im Garten, die Sonne steht schon tiefer, eine gute Gelegenheit zum Üben, bevor das familiäre Abendprogramm beginnt. Ich ergriff mein Instrumente, schürzte die Lippen und begann zu üben. Und übe und schürze und übe und schürze. Eine halbe Stunde später kommt mein großes Kind ins Haus und erzählt mir, was ich bisher noch nicht wusste: Dass es morgen unbedingt vier ausgeblasene Hühnereier benötige für die österliche Bastelaktion im schulischen Kunstunterricht.

Ich kann das nur empfehlen: Eine halbe Stunde ein Blasinstrument spielen, mit dem Sie jedenfalls nicht gerade professionell verheiratet sind, und direkt im Anschluss Eier auspusten. Sie entwickeln ein völlig neues Gefühl für Ihre Lippen... wer weiß, wozu das gut ist.

Der Clou an der Geschichte ist natürlich, dass das Kind mit völlig unbemalten Eiern aus der Schule nach Hause kam, weil im Kunstunterricht erst etwas aus der letzten Woche vollendet werden musste und dann doch etwas gänzlich anderes angefangen wurde. Danke...

Nun liegen da also vier Eier und harren der Farbe, und der Ganzlütte freut sich schon sehr. Er hat nämlich nur zwei Eier im Kindergarten bemalt. Und also holen wir das jetzt als Familienaktion nach, und am Schluss grabe ich auf dem Dachboden die Kiste aus, in der die bemalten Eier der letzten Jahre zu finden sein sollten.

Der Ganzlütte freut sich sowieso sehr auf Ostern, denn er hat im unteren Fach des Bücherregals seiner großen Schwestern ein Conni-Buch entdeckt: „Conni und der Osterhase“. Nun sind wir grundsätzlich der Meinung, dass es keine geschlechtsspezifischen Kinderbücher gibt, und wenn der Bub gerne Conni-Bücher lesen möchte, so soll er es in Gottes Namen tun. Damit ist allerdings das Problem umrissen: Er kann nämlich gar nicht lesen. Natürlich nicht. Also muss ich ihm vorlesen. Und es gibt kaum Bücher, die ich noch weniger gerne lese als diese Bücher mit der kreuzbraven und oberlangweiligen Conni – siehe Folge dreiundzwanzig! Dass man beim zweiten Kind erstmal wieder mit Füttern und Wickeln anfängt, das ist ja klar. Dass aber die überwunden geglaubten Conni-Bücher wieder aus der Versenkung auftauchen, das hatte mir vorher keiner gesagt!

Und trotzdem freuen wir uns natürlich. Vor dem Morgen aber liegt der Abend: Ostern ist noch gar nicht.

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