Rainer Kolbe - Das Kind

 

237 Väter, Kinder, Abenteuer

Da liegt es in der Diele, das grüne Bündel, und darin ist das Leihzelt. Wir haben nämlich gar kein Zelt und fahren am Wochenende doch auf Väter-Kinder-Kanu-Tour. Mein Kind und ich und einige andere Väter und etliche andere Kinder.

Sie erinnern sich: In der letzten Woche hatten wir das Zelt im Garten aufgebaut, zur Probe. Schließlich wollten wir ja eine Väter-Kinder-Kanu-Tour mitmachen. Und ich war „mächtig stolz auf mein Kind“, weil es ein paar Stunden allein im Gartenzelt lag und ordnungsgemäß vor sich hin schnorchelte, bis ich mich und meine müden Gebeine ebenfalls auf den gartenharten Zeltboden bettete und ordnungsgemäß vor mich hin schnorchelte.

Zwei Tage später aber war es endlich soweit! Ich hatte die Väter-Kinder-Kanu-Tour im Programm der Familienbildungsstätte Husum entdeckt, in dem überhaupt allerlei interessante Dinge zu finden sind. Eine Tour nur für Väter und Kinder. Ohne Mütter. Ohne Seife. Mit Bier. Naja, so genau stand das natürlich nicht im Programm. Dafür stand da aber „findet bei jedem Wetter statt“.

Vor jeder Tour, die einen über die Schwelle des Hauses führt und länger ist als eine Runde mit dem alten Hund um den Feuerlöschteich mit seinen neunzehn Enten, steht der Besuch der Internetseite des Deutschen Wetterdienstes. Und ich bin mächtig stolz auf mich, dass ich nach dem Betrachten der Vorschau nicht zum Telefon gegriffen habe, um unsere Teilnahme abzusagen! Es war ein Wetter angekündigt, dass eigentlich nur mit nicht-druckbaren gotteslästerlichen Wörtern zu umschreiben ist. Ins Gemäßigte übersetzt: Regen aus allen Richtungen, weiter zunehmende kräftige Winde, fallweise schwere Gewitter. Genau das richtige Wetter, um mit einem achtjährigen Kind aufs Wasser zu gehen. Wasser von oben, Wasser von unten.

Nun denn. Ein anderer Papa mit seinem Kind holte mich und mein Kind freundlicherweise ab, so war es vereinbart, und wir fuhren zu einer kleinen Wiese mit Treene-Strand am Waldesrand. Immerhin, bei der Ankunft war es trocken, so konnten fünfzehn Papas die Zelte in Ruhe und halbwegs trocken aufbauen, während einundzwanzig Kinder schon mal ein wenig herumtobten. Wobei „Kinder“ ein doch recht relativer Begriff war. Von sieben Jahre bis ungefähr siebzehn Jahre und 364 Tage war so ziemlich alles dabei.

Manche Väter kanten sich von früheren Touren, die neuen standen etwas schüchtern am Rand und fanden einander dann auch, die Kinder verteilten sich entsprechend in „ich bin jünger und neu“, „ich bin jünger und hier aber ein alter Hase“, „ich bin schon älter und neu“ und „ich bin sowieso schon ein alter Hase“. Irgendwann waren die Kinder trotz frischer Temperaturen im Wasser und plantschten, die Sonne kam durch, das Lagerfeuer knisterte, es gab Gegrilltes mit Ketchup satt.

Die Nacht verlief ruhig. Einmal wachte das Kind auf von seltsamen Geräuschen. Klar, draußen am Waldesrand in der Nacht, da gibt es seltsame Geräusche. Weniger seltsam war das Geräusch am Morgen: Regen prasselte aufs Zelt. Gewisse Notwendigkeiten trieben mein Kind und mich dennoch ins Freie. Das Frühstück nahmen alle unter einer großen Plane ein, und der Chef hatte sich wirklich alle Mühe gegeben: Brötchen, Schokoladenbrotaufstrich, Kaffee in ausreichender Menge und sogar Rührei aus dem großen Topf über dem offenen Feuer.

Der Regen ließ nach und hörte schließlich ganz auf. Die Sonne blinkte wieder zwischen den Wolken hindurch. Auch der deutsche Wetterdienst kann ja mal irren, dachte ich. Die Boote waren schon am Vorabend angeliefert worden: Alle Papas packten jetzt die wasserfesten Tonnen mit reichlich trockener Wäsche und Proviant bis obenhin voll, immerhin sollte die Fahrt den kleinen Fluss hinunter vier bis fünf Stunden dauern. Je nach Übung, Pausen, Witterung. Dann wurden die jüngeren Kinder in Schwimmwesten gesteckt und die Boote zu Wasser gelassen – es ging los!

Ganz sanft und harmlos begann es zu nieseln.

laden
start