Rainer Kolbe Das Kind

 

243 Teddy, Schnuffel und die anderen

Es sind Ferien! Das Kind verbringt sie mit seiner Familie in den Wäldern Schwedens. Lassen Sie uns die Zeit nutzen einen kleinen Blick zurück zu tun. Denn immerhin ‒ als diese Serie vor rund fünf Jahren begann, war das große Kind so klein wie es das kleine Kind heute ist. So müsste sich beim kleinen Kind doch alles wiederholen? Klar, ein eigener Mensch, aber eben auch ein dreijähriges Kind wie alle anderen dreijährigen Kinder. Ein kleines Kind, wie es das große einmal war. Oder?

Bestimmt kennen Sie den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“, in dem für den Helden jeder Tag gleich beginnt und seinen Lauf nimmt und unabänderlich scheint. Ist das Leben mit dem zweiten (dritten, vierten...) Kind also nur so eine Art Aufguss des schon erlebten Lebens? Oder war das erste Kind vielleicht nur der Prototyp zu einem erfolgreichen Serienmodell?

Machen wir die Probe. Prüfen wir, ob sich das Leben in der Familie in den Jahren ändert oder alles bleibt, wie es ist. Greifen wir also wahllos in die Fülle der Geschichten, die vor vielen Jahren auf dieser Seite standen: „Wertstoff“, Folge 22:

„Jedes Kind hat sein Lieblingsstofftier, und niemand weiß, welche Aufgaben einem solchen Wesen dermaleinst zugedacht sind – die Pläne des Herrn sind unergründlich. Vielleicht wird es dieses Stofftier sein, das in einer fernen Zukunft dem Kind über die erste sehnsuchtsvoll-vergebliche Liebe hinweghilft? Also trage ich Verantwortung nicht nur für Kind und Hund, sondern auch für ein Stofftier namens Teddy.“

Und heute? Heute trage ich nicht nur Verantwortung für Kind und Hund und Teddy, sondern auch für ein weiteres Kind und Schnuffel und Herrn Wischnewski und Herrn Delius und einen bunten Hund namens Siggi. Nebenbei: Will man als Vater allzu plüschige oder gar putzige Namen für Stofftiere vermeiden, die einen todsicher nach einigen Monaten gehörig nerven, so gibt man ihnen beizeiten kernige, männliche Namen und fragt nicht Kind noch Gattin. Wer weiß, wie Siggi, Herr Wischnewski und Herr Delius sonst hießen, wenn ich jemanden gefragt hätte...

Doch all diese zwischenzeitlich hinzugekommenen Wesen betrachte ich ganz entspannt. Denn anders als bei der großen Schwester und ihrem Teddy sind sie zwar gern gesehen Begleiter im Leben des kleinen Kindes ‒ aber sind sie nicht da, findet trotzdem Leben statt (und zwar nicht zu knapp!)

„Bei Eltern bezeichnet „Wiederbeschaffungswert“ nicht den Wert eines neuen, vergleichbaren Stofftieres – wer wäre mit Teddy vergleichbar? Nein, ‚Wiederbeschaffungswert’ ist der zeitliche und finanzielle Aufwand, der nötig ist, den einzig wahren Teddy wieder ranzuschaffen, nachdem er irgendwo liegengeblieben ist. Wo auch immer – die Wege des Teddys sind unergründlich.“

Und heute? Kein Gedanke daran, dass Schnuffel etwa mitgenommen werden müsste in den Kindergarten! Sie glauben gar nicht, wie entspannt es ist, wenn all die lieben Tierlein zuhause auf der Anrichte hocken oder im Kinderbett liegen und ich mich nicht fragen muss, wo das heißgeliebte Lieblingstier wohl heute liegen geblieben ist!

Ganz im Gegenteil. Vor einiger Zeit mussten wir mit einer mysteriösen Verdoppelung klar kommen! Wir besuchten den Spielzeugladen in der nächst gelegenen Kleinstadt. Das kleine Kind tappt durch die Gänge, fasziniert von der Vielfalt der angebotenen Farben und Formen und Figuren. Plötzlich bleibt es wie angewurzelt stehen: Dort am Drehständer hängt sein Schnuffel! Aber hier an seiner Hand hängt sein Schnuffel doch auch! Meine Güte, was richten Stofftierhersteller bloß an damit, dass sie Ware von der Stange produzieren...

Ich konnte ihn ablenken. Schnuffel bleibt der geliebte Schnuffel. Und im Urlaub sind natürlich trotzdem alle dabei: Teddy, Schnuffel, Herr Wischnewski, Herr Delius und Siggi.

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