Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge dreißig
Gleichberechtigung, einmal noch

Vom so genannten Mutter-Kind-Turnen war vor langer Zeit und in Folge vier schon einmal die Rede. Aber ich muss auf das Thema Gleichberechtigung zurückkommen. Einige weitere Anekdoten aus den Erfahrungen eines praktizierenden Vaters – halb augenzwinkernd. Aber eben auch nur halb.

Klar, Väter sind die Ausnahme. Aber sie werden in Wort und Schrift und Tat auch dazu gemacht. Ich höre nun zahlreiche Frauenstimmen aufgeregt durcheinander reden, was denkt der sich?, wie kann der nur?, nach Jahrtausenden des Patriarchats nun auch noch das!?

Neulich, beim Babyschwimmen. Gut, das war nicht neulich, es ist schon einige Zeit her, dass ich mit unserer Tochter regelmäßig zum so genannten Babyschwimmen ging. Mir war in der dörflichen Krabbelgruppe ein kleines Privatschwimmbad empfohlen worden. Man bot dort Wassergymnastik für die rheumatisch Beeinträchtigten und einen Babyschwimmkurs. Nette Leute dort, allerdings gab es nur einen einzigen Umkleideraum. Also musste ich mit meiner Lütten warten, bis alle Mütter sich und ihre Lütten umgekleidet hatten. Und nach dem Schwimmen warteten wir wieder und dümpelten uns schrumpelig. Doch, es gab genügend Räume, nebenan wurde massiert und gymnastikt und gefangot – hätte man nicht wenigstens eine Besenkammer für Väter umbauen können? Keiner hatte daran gedacht, dass auch Väter zum Babyschwimmen gehen wollen.

Neulich, im kommunalen Schwimmbad. In vielen Schwimmbädern gibt es ein „Mutter-und-Kind-Becken“. Dürfen Väter da nicht rein? In die Frauendusche darf ich ja auch nicht rein. Muss der Vater sein Kind unbeaufsichtigt plantschen lassen oder sich eine Leihmutter nehmen? „Hallo, Sie da mit dem roten Badeanzug, können Sie mal eben mein Kind retten?“

Neulich, im Briefkasten. Der Katalog eines großen Kinderklamottenversandhauses steckt im Kasten, er trägt den Untertitel „Alles Gute für Mutti und Kind“. Mal abgesehen davon, dass meine Frau es sich scharf verbittet, von irgendwelchen fremden Leuten als „Mutti“ tituliert zu werden – wie groß, schätzen Sie, ist meine Laune als Vater, in diesem Katalog zu blättern oder gar etwas zu bestellen?

Neulich, beim Einkaufen. Vor dem Supermarkt gibt es spezielle Parkplätze „Für Mutter und Kind“. In Eingangsnähe platziert sind sie organisatorisch sinnvoll und ersparen einem den mit Kind gefährlichen Weg zwischen den parkenden Autos. Zumindest auf dem Rückweg, wenn man alle drei Hände schon voll hat und das Kind schon so groß und schwer ist, dass man es nicht einfach zu den Einkäufen in den Rucksack stopfen kann.

Aber eigentlich ist es auch egal, wie diese Parkplätze heißen, denn auch die Mütter können hier nicht parken. Diese Parkplätze sind zugeparkt von Leuten, die keine Kinder haben, sondern „nur mal ganz kurz eine Kleinigkeit“ einkaufen wollen.

Neulich, im Parkhaus. Auf eine besondere Schönheit traf ich unlängst in einer nicht ganz so kleinen, aber auch nicht ganz so großen Stadt, lieblich gelegen am Wasser und ausgestattet mit einem praktischem, zentral gelegenen Parkhaus. Dort gibt es Parkplätze, die zwar geschlechtsneutral mit einem Kinderwagensymbol markiert sind – sie sind aber untergebracht in dem Areal, in dem nur Frauen parken dürfen! Da hat auch wieder jemand richtig gut mitgedacht!

Halb augenzwinkernd. Aber eben auch nur halb.

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