Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge zweiundvierzig
Nachwuchs

Nun sind sie endlich da, die Zwillinge, nun sind wir nicht mehr nur zu viert – Eltern plus Kind plus Hund – sondern gleich zu sechst. Da kommt richtig Leben in die Bude! Und vor allem in den Garten, denn bei dem schönen Wetter – jedenfalls ist es schön, da ich diese Zeilen schreibe – sind wir die meiste Zeit draußen. Also, die Pastorin ist selbstverständlich am Schreibtisch oder in der Kirche oder auf dem Friedhof, aber wir anderen toben durch den Garten.

Die Zwillinge toben noch nicht so sehr, dafür sind sie noch viel zu klein und die Beinchen viel zu kurz. Aber sie sitzen gerne mit uns im Garten und blinzeln in die Sonne. Und sie haben schon ordentlich Haare, also geradezu Fell, und das Kind hat sie den halben Tag lang auf dem Arm und streichelt sie und knuddelt sie. Sie lassen es sich gerne gefallen. Die Verdauung ist gut (Gurke geht!).

Allein Jola, unsere Hündin, ist misstrauisch. Sie nimmt Witterung auf. Mit vorsichtigen, katzenartigen Schritten nähert sie sich dem Familienzuwachs. Und sie ist derzeit ganz besonders empfänglich für Streicheleinheiten. Als ob wir sie jetzt vernachlässigen würden! Niemals aber lassen wir Jola und die Lütten allein und unbeaufsichtigt im Garten. Steckt nicht in jedem Hund ein Wolf? Hernach säugt sie die Zwillinge und die gründen hier dann eine große Stadt. Das wollen wir nicht, unser Dorf soll ein Dorf bleiben.

Ich selbst habe erstaunlicherweise zu den neuen Erdenbewohnern noch keinen richtigen Bezug bekommen. Gottesgeschöpfe wie du und ich, sind sie doch recht klein noch irgendwie. Hoffentlich wachsen sie bald noch ein bisschen!

Die Namensgebung der Kleinen war natürlich ein Akt an sich. „Emil“ schlug das Kind vor, denn als Vierjährige meint sie ein Mitspracherecht zu haben. „Emil“ gefiel uns auch, und wenn unsere Kleinsten älter sind, kann ich ihnen „Emil und die Detektive“ vorlesen. Als aber klar war, dass wir Zwillinge bekommen, da musste auch gleich noch ein weiterer Name her. Ich plädierte logischerweise für Pony Hütchen, wenigstens als Spitzname, konnte mich damit aber nicht durchsetzen. Das Kind war ebenso wenig erfolgreich mit etwas aus der Rubrik „Prinzessin Lillifee“ oder „Buntglitzer“. Schließlich einigten wir uns auf „Gustav“. Emil und Gustav also.

Und wir lesen schlaue Bücher über kleine Wesen und verwundern uns über dieses und jenes, was uns bisher alles noch gar nicht bekannt war! Wussten Sie zum Beispiel, dass sie sich unter optimalen Bedingungen bereits im Alter von 30 Tagen fortpflanzen können? Dass sie durchschnittlich 68 Tage lang tragen, aber bereits zwei Stunden nach dem Gebären wieder, äh, brünstig sein und gedeckt werden können?

Der Landwirt, der die beiden aus dem Stall holte und uns überreichte, lächelte milde und versicherte uns, dass es zwei Männchen seien, garantiert.

Tja, und jetzt warten wir also auf den Nachwuchs der beiden „Männchen“ und sind schon sehr gespannt, wie das Kind sich organisiert, wenn es erst mal ein bis zwei Dutzend von ihnen auf dem Arm haben will. Und interessant wird es auch sein zu sehen, wie viele von ihnen in einem Garten wuseln müssen, bis der Jagdtrieb des Hundes in nackte Angst umschlägt.

Falls Sie demnächst also Interesse an Meerschweinchen haben sollten, melden Sie sich gerne. Sie bekommen von uns auf jeden Fall zwei Männchen. Garantiert!

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