Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge einundfünfzig
Mach dein Ding!!

Drei Dinge sind’s, die den Mann fordern und bestimmen. Erstens Fußball, klar. Zweitens Gerätschaften jeder Art: Motorräder, Schiffe und die Hilti. Drittens seine Modelleisenbahn: Schöpfergeist, Allmachtsphantasien und die endlich absolut korrekte und streikfreie Einhaltung von Fahrplänen.

Nebenbei: Es gibt natürlich noch ein viertes, äh, Ding, dass den Mann fordert und bestimmt. Aber das lassen wir hier jetzt mal weg, das ist hier nicht der rechte Ort – und das Kind wird Sie noch früh genug fragen.

Nun können Sie natürlich versuchen, Ihrer vierjährigen Tochter die verschiedenen Funktionen der Schlagbohrmaschine zu erläutern oder die fachgerechte Aushebelung der Abseitsfalle (jedenfalls so weit Sie selbst das verstanden haben). Sie können sich aber auch einfach daran erfreuen, dass Vierjährige wunderbar wissbegierig sind und Teil haben wollen an Ihrem Sein. Sie müssen sie nur mitmachen lassen und ab und an eine Erklärung einfügen, der Rest geschieht von allein.

Wenden wir uns heute Beispiel Nummer eins zu, dem Fußball. Zur Hilti und der absolut korrekten und streikfreien Einhaltung von Fahrplänen dann bei anderer Gelegenheit.

Das Kind und ich kicken ein wenig im Garten. Ich habe da Großes vor mit der Kleinen! Es geht schließlich nicht spurlos an einem vorüber, dass die deutsche Frauenfußballmannschaft gerade Weltmeister geworden ist. Doch das spannende Spiel endet nach zwei Ballwechseln, das Kind nimmt die kleine bunte Kugel auf: „Wir können ja jetzt auch werfen!!“ Seh ich aus wie ein Handballer? Aber was tut Mann nicht fürs Kind. Also Handball. Nach zwei Ballwechseln wirft das Kind den Ball ins Gebüsch und sagt: „Ich will mit Emil spielen!!“ Ich fürchte, es dauert noch ein wenig, bis der weltmeisterliche Funke überspringt.

Spannender scheint der passive Genuss: Sonnabend, halb sieben. Das Kind soll eigentlich Abendbrot essen. Der Papa soll eigentlich dem Kind Abendbrot bereiten. Aber ist nicht auch irgendwie Wochenende? Und ist nicht auch irgendwie Sportschau? Also sitzt das Kind vor der Glotze mit einer Flasche Malzbier und Papa sitzt daneben mit einer Flasche Echtbier. Wenn ich die Abseitsfalle erläutere, gähnt das Kind. Volle Aufmerksamkeit hingegen bekommt der Wirtschaftsteil der Sendung: Der ist bunter und lauter und spannender. Mich langweilt die Werbung, weshalb ich in dieser Zeit ein Bier wegbringe und ein Bier hole. Und dann habe ich verpasst, wie mein Kind den ganzen werbenden Blödsinn aufsaugt.

Doch das hat jetzt ein Ende, das Kind bekommt wieder pünktlich Abendbrot. Denn die Auswirkungen der Werbung auf das Hirn einer Vierjährigen bekamen wir unlängst allzu deutlich vorgeführt. Da berichtet die Pastorin über ein facettenreiches gemeindliches Projekt und endete mit der Feststellung: „Das ist das einzig Wahre!“. Das Kind aber muss das letzte Wort behalten: „Das einzig Wahre?? Eine Perle der Natur!!“

Ist das nicht schrecklich?! Also schrecklich, weil das Kind immer noch nicht den Unterschied begriffen hat zwischen Warsteiner und Krombacher!? Warsteiner ist das einzig Wahre, Krombacher ist die Perle der Natur. Für das Verständnis des passiven Abseits sehe ich schwarz, wenn es schon an den Grundlagen hapert!

Auslöser für ein endgültiges Sportschauverbot war Frau Hagebauer. „Ich geh’ mal eben zu Frau Hagebauer rüber!“, ruft uns die Pastorin zu. Das Kind aber muss das letzte Wort behalten:

„Frau Hagebaumarkt?? Mama, mach dein Ding!!“

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