Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge vierundfünfzig
Gespenster

In unserem Haus gibt es – wie in jedem Haus mit kleinen Kindern – auch allerlei andere Lebewesen. Dazu gehören nicht nur den Hund, die Meerschweinchen, diverse Spinnen und einige freundliche Kellerasseln (das Pastorat hat keinen Keller). Da das Haus sechs Außentüren hat und eine immer irgendwie gerade geöffnet oder geschlossen wird oder nicht ganz geschlossen oder sowieso immer offen ist, hüpft gelegentlich eine Kröte durchs Wohnzimmer. Doch all diese Tiere gäbe es auch ohne Kind.

Daneben gibt es noch anderes. Von der Lebendwerdung toten Plastiks wurde berichtet. Dass alle Stofftiere beseelt sind, versteht sich bei einer Vierjährigen von selbst. Auch versteckte Kuchenreste können sich, bis ich sie beim Aufräumen irgendwann finde, in etwas eher Lebendiges verwandelt haben. Und dann gibt es natürlich Gespenster. Da wir zwar gläubig, aber ganz und gar nicht abergläubisch sind, kann die Lütte das nicht von uns haben. Hat sie auch nicht: „Bei Leila gibt es Gespenster!!“

„Aber nein, mein Kind, Gespenster gibt es gar nicht.“ „Doch, Leila hat das gesagt, hinter der alten Tür wohnen Gespenster.“ „Welche alte Tür?“ „Die in der Küche hinten.“ „Und wo führt die hin?“ „Zu den Gespenstern.“ „Aber die gibt’s nicht.“ „Doch, Leila hat es gesagt.“

Kleinkinderangst, die sich nicht einfach wegerklären lässt. Feuerwerk gehört ebenso dazu, das kommt hier zum Glück nur einmal im Jahr vor (in absehbarer Zeit ist es wieder so weit). Und Gewitter natürlich, da drängt sich das Kind jammernd an den Hund und der Hund drängt sich fiepend ans Kind – Angst haben sie beide, und dann nehme ich beide auf den Schoß, sofern ich gerade auf einem wirklich stabilen Stuhl sitze. Aber einfach wegdiskutieren lassen sich diese Ängste nicht, und sie werden wohl erst verschwinden, wenn die geophysikalischen Zusammenhänge durchschaut werden. Wobei ich da dem Kind mehr zutraue als dem Hund.

Und bei den Gespenster kann man noch nicht mal nachsehen mit dem Kind und die Tür einfach mal öffnen. Denn die darf nicht geöffnet werden – wegen der Gespenster. Sagt Leila. Fällt Ihnen vielleicht noch ein Argument ein?

Sie dürfen schreibe, ja, Sie sollen schreiben. Gerne auch mal eigene Beobachtungen und Anekdoten rund um Kind und Kinder. Die werden hier an dieser Stelle bei Gelegenheit dann natürlich ungeniert verwurstet, Herr Hacke macht ja mit seinem „Weißen Neger Wumbaba“ auch nichts anderes, als Leserzuschriften leicht aufbereitet zwischen zwei Buchdeckeln zu leimen.

Falls es diese Gelegenheit überhaupt gibt, zukünftig. In der letzten Woche sind Sie ja gefragt worden, ob die Serie fortgesetzt werden soll oder nicht. Einige Zuschriften haben die Redaktion und den Verfasser erreicht, Tendenz eher positiv. Aber was ist schon eine Tendenz vor Schließung der Wahllokale?

Für all diejenigen, die bisher noch nicht Zeit hatten und Notwendigkeit sahen ihre Meinung kundzutun: Und unter allen Zuschriften werden drei original Kunstwerke vom Kind verlost! (Auch eine Methode, den Schreibtisch wieder frei zu kriegen...) Alle Werke sind echt, von der Künstlerin signiert und werden mit Zertifikat verschickt! Einsendeschluss ist Sonntag, 18. November; der Rechtsweg ist ausgeschlossen; Mitarbeiter der Firma Mattel dürfen nicht teilnehmen.

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