Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge einundsechzig
Werdet wie die Kinder

Jesus spricht: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen! So steht es bei Matthäus 18 in den Versen 2 und 3 (hier nur leicht gekürzt, haben Sie’s gemerkt?, dacht’ ich’s mir doch!). Nun, irgendwann wollen wir ja schon ins Himmelreich (auch wenn es gerne noch ein Weilchen dauern darf, bitte, danke) - und also wollen wir werden wie die Kinder.

Sind Sie sicher? Wie sähe es aus, wenn wir wären wie sie? Wenn beispielsweise ich so wäre wie beispielsweise mein Kind beispielsweise akustisch? Wenn ich meinen Tagesanbruch so begönne wie es? Ich stünde auf und ginge die Treppe hinab und wüsche mich und zöge mich an und deckte den Frühstückstisch. Wie klänge das? Das klänge ungefähr so:

Jetzt stehe ich mal auf, trallala, oh, da sind ja meine Hausschuhe, so ein schönes Blau, die Hose vom Bäcker ist auch blau, Brot muss ich kaufen, nachher, wenn ich mit dem Hund gehe, jetzt gehe ich mal die Treppe runter, puh, geht die Klinke schwer runter, muss ich mal reparieren, die blöde Klinke (den an dieser Stelle folgenden kurzen Dialog mit der Klosettschüssel erspare ich Ihnen jetzt aus Takt), aber da ist ja auch meine Zahnbürste, hallo Zahnbürste!, hast du gut geschlafen?, mmmh, wie das schäumt, und soviel Wasser, schön warm, warm wie der Ofen bei Schwiegerpapa, trallala, guck mal, liebe Zahnbürste, wie du im Spiegel aussiehst, und da gluckert das Aftershave, ganz ohne Shave heute, trallala, eine Hose, ein Shirt, und da: Hallo Socke, alte Socke, oh, heute mit Odeur!, puh, geht die Klinke schwer runter, blöde Klinke, hallo Hund, du Stinktier, oh, du schläfst ja noch, tschüß Hund, ich gehe jetzt in die Küche, hahaha, trallala, so, da ist ja der Kühlschrank, da nehme ich jetzt die Marmelade heraus, und der Wasserkocher, wo ist der Wasserkocher?, natüüürlich, da wo er immer ist, wer hätte das gedacht?, ich nicht, hihihi, ja, da sprudelt es wieder, ha, kein Aftershave, nur Wasser für den Tee, für mich bitte eine schöne Tasse Kaffee, sehr gerne, der Herr, bei uns werden aber nur Kännchen serviert, woher nehme ich jetzt ein Kännchen?, ich weiß, ich mach heute einfach einen besonders großen Becher, trallala, hallo Honig, altes Haus, wie siehst du denn heute aus?, und guckst du bitte mal aus dem Fenster, in das Wetter, in den dunklen Garten, das geht ja gar nicht, da ist das Spiegelbild davor, hallo Spiegelbild, das bin ja ich, hallo ich!, ups, da ist der Honig fast vom Tisch gefallen, na, da schmeiß ich die Teller gleich hinterher, das wird ein lautes Fest!, trallala, hallo Hund, du Stinktier, da bist du ja, hast du dich in die Küche bemüht?, und hast du gut geschlafen?, ganz schön kalt bei uns in der Diele, nicht wahr?, aber nachher gehen wir raus, da ist es erst so richtig kalt, ka-ka-kalt, Ka-Ka-Kakao für die Lütte, die heißt so wie die Kneipe ein Dorf weiter, komisch, irgendwie lustig, da lach ich ja gleich mal ein wenig: hahaha, he!, wirst du hier mal nicht so viele Haare abladen, du Stinktier, und wo ist schon wieder der Tischgebetswürfel?, hab ich mir doch gedacht: beim Toaster, wolltst dich mal wieder aufwärmen, du Schelm?, so, nun noch das Müsli bereit stellen, dann kann ich den Rest des Haufens wecken ...

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