Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge siebenundsechzig
Vatersprache

Väter reden natürlich anders mit ihren Kinder als Mütter, irgendwie kerniger und kerliger. Wo die Mutter das Kind nach dem Kindergarten begrüßt mit den Worten „Na mein Schatz wie geht es dir wie war es im Kindergarten ich hab dich lieb komm zum Essen erzähl mir alles!“, da genügt beim Vater ein knappes „Und?“ Und das reicht auch völlig aus; das Kind weiß, was Papa damit sagt, nämlich ungefähr dies: „Na mein Schatz wie geht es dir wie war es im Kindergarten ich hab dich lieb komm zum Essen erzähl mir alles!“

Das funktioniert umgekehrt ganz genauso, das Kind redet mit dem Vater anders als mit der Mutter, irgendwie kerniger und kerliger. Zur Mutter gewendet heißt es „Hallo Mama es war schön ich war heute ganz lange auf der Schaukel guck mal hier ich habe dir was gebastelt ich hab dich auch lieb!!“, zum Vater gewendet: „Du bist doof!“ Und der Vater weiß, was das Kind sagt, nämlich ungefähr dies: „Hallo Papa es war schön ich war heute ganz lange auf der Schaukel guck mal hier ich habe dir was gebastelt ich hab dich auch lieb!!“

Dass es für Kinder wichtig ist, möglichst beide Eltern in ihrem Leben zu haben, ist bekannt. Dass das nicht immer klappt, weil sich einer von zweien gelegentlich als Idiot entpuppt – auch bekannt. In einem solchen Fall sollte – beispielsweise – der allein erziehender Vater darauf achten, dass das Kind auch mit Omas und Tanten und Freundinnen zu tun hat, damit es sich in jeder Hinsicht und auf allen Ebenen weiterentwickeln kann, auch auf sprachlicher. Nicht, dass es nur noch „Und?“ zu hören bekommt. Denn selbst wenn es weiß, was Papa damit sagt, tut es gut, ab und an auch die Langfassung zu hören.

Aber eben auch nur ab und an. Denn die entscheidende Rolle für die Entwicklung der Sprachfertigkeit des Kindes spielt nicht die sprachliche Quantität der Mutter, sondern die sprachliche Qualität des Vaters. Qualität statt Quantität, wir Väter haben es immer geahnt. Und bei einem kerligen „Und?“ ist die Qualität naturgemäß sehr hoch (Intonation! Modulation! Versteckte Zwischentöne! Gestik! Mimik!).

Forscher der Universität von North Carolina haben herausgefunden, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen des Vaters Rede und der Sprachentwicklung. Sie beobachteten in 92 Familien zweijährige Kinder und deren Eltern beim gemeinsamen Spielen. Dabei wurde notiert, wie oft und mit welchem Sprachschatz die Eltern mit den Kleinen kommunizierten. Im Alter von drei Jahren wurden die Sprachfähigkeiten der Kinder erneut untersucht. Mehrere elterliche Einflussfaktoren konnten die Forscher ausmachen: Wichtig für die Sprachentwicklung der Lütten ist neben einer guten Bildung der Eltern (wer hätte das gedacht?!) die intensive Beschäftigung mit dem Kind (tatsächlich?!) und – das umfangreiche Vokabular des Vaters.

Obwohl die Mütter deutlich mehr mit ihren Kindern redeten, hatte ihr Sprachschatz keinen messbaren Einfluss auf deren spätere Sprachfähigkeit. Da Väter insgesamt weniger mit ihren Kindern sprechen, kommt es bei ihnen stärker auf die Qualität des Gesagten an als bei den Müttern.

Qualität statt Quantität, wir haben es immer geahnt. Zwischen die kerligen „Und?“s und „Nun?“s ab und an mal einen richtig komplexen Schachtelsatz eingebaut – und Sie tun als Vater Ihrem Kind etwas wirklich Gutes.

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