Das Kind
Erzählung von Lina Kolbe

plus > Download

 

Folge siebzig
Das liebe Geld

„Papa ...“, raunt es mir leise ins Ohr. „MAMA, DU MUSST WEGHÖREN!! Papa“, raunt es weiter, „gehen wir nachher einkaufen ...“ Nun war mein Kind bisher zwar treuer Begleiter auf meinen hauswirtschaftlichen Touren, doch ein Übermaß an Freiwilligkeit war selten im Spiel. „Papa... ich möchte mir ein Spielzeug kaufen von meinem eigenen Geld ...“ Aha, daher weht der Wind.

In den letzten Wochen war Geld ein großes Thema bei uns. Und alles war gebührenpflichtig! Der Gang die Treppe runter, der Gang die Treppe rauf, das Verlassen des Hauses, das Betreten des Hauses, der Weg zum Gemeindesaal – war das Kind in der Nähe, trat es mir beherzt in den Weg und hielt die Hand auf: „Du musst erst ein Geld bezahlen!!“ Das kommt dabei raus, wenn man kurz an den Strand will und am kleinen Holzhäuschen erstmal Kurtaxe berappen darf. Wie soll ein Kind lernen, dass die Welt für alle da ist?

Daheim genügte es zwar, eine nur ausgedachte Münze in die kleine Hand zu drücken, doch das Ansinnen an sich war mir suspekt, weshalb ich mich häufig weigerte: Wieso sollte ich für das Betreten der Küche eine Gebühr entrichten?

Einige Male weigerte ich mich nicht. Stand die Lütte mit ihrem kleinen Kescher vor der Toilettentür und trat mir in einen recht dringlichen Weg: „Ich spiel’ Kirche und sammel jetzt die Kollekte ein!!“ Ich gab lieber in diese Kollekte als eine Diskussion ob ihrer Zulässigkeit anzuzetteln. Sie hätte vielleicht zu lange gedauert.

Nun soll ein Kind den Umgang mit Geld ja aber auch lernen: was das Geld wert ist und was die Dinge ihm wert sind. Dafür hat es ein kleines Lederportmonee, schwer an Münzen. Schlauerweise warfen wir vor unserer Einkaufstour einen Blick hinein: Es waren viele schwedische Ein-Kronen-Stücke aus dem letzten Urlaub darin und einunddreißig Eurocent. Als ich dem Kind väterlich zartfühlend bedeutete, dass es zwar viel Geld habe, dafür aber praktisch nichts kaufen könne, traten vier Tränen ins Freie. Die zartfühlendere Mutter tauschte dem Kind die Schwedenkronen zum tagesaktuellen Kurs in Euro, und wir zogen los.

Und besuchten – in Ermangelung eines echten Spielzeugladens vor Ort – die Filiale des Drogisten, in der es eine Spielzeugecke gibt. Oh, was es da alles zu sehen gab! Oh, was man alles hätte kaufen können, wenn das Geld nur gereicht hätte! Und oh wie gut, dass die meisten hässlichen Sachen auch teuer sind! Und oh wie gut, dass das Kind Preisschilder noch nicht selbst lesen kann!

Schließlich fand es ein winzig kleines Püppchen mit einer noch viel kleineren Stoffmütze – eine Puppe für die Puppe – und zog damit stolz zur Kasse. Zahlte, ließ sich ganz souverän die Verpackung entfernen, verlor auf dem Weg zum Ausgang auch gleich die kleine Stoffmütze – und war glücklich. Selbst! Ausgesucht! Selbst! Gekauft! Vom! Eigenen! Geld!

Für den weiteren Fortgang des Lernens bekommt das Kind nun also einmal in der Woche Taschengeld. So wird es den Wert des Geldes lernen und schätzen lernen.

Jetzt muss ich meinen Kind nur noch beibringen, dass die Kollekte nach dem Gottesdienst nicht für die weitere Anschaffung von Spielzeug gedacht ist. Beim letzten Familiengottesdienst war das Kind für das Einsammeln zuständig, und es war hernach bemerkenswert wenig in der kleinen Schale.

Kann aber natürlich auch an der Gemeinde gelegen haben.

zurück