Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge vierundsiebzig
Der schwangere Mann

Dies ist mal wieder – Sie haben es am Titel erkannt – eine Folge nur für Männer. Genauer gesagt für werdende Väter. Allen gerade nicht werdenden Vätern und Müttern und anderen Anverwandten wünsche ich schöne Tage: bis nächste Woche dann!

Also: Liebe werdende Väter! Von Büchern über Väter und ihre Kinder war hier schon einmal die Rede, da tauchten so lustige Titel auf wie „Papas kleine Monster“ und „Allein unter Spielplatzmüttern“. Doch das Thema ist geringfügig facettenreicher, und es gibt tatsächlich auch ein paar eher ernsthafte Bücher.

Denn wenn ein Mann wie Sie oder ich sich mit einer Sache ernsthaft beschäftigt – Bäume pflanzen, Häuser bauen, Kinder zeugen –, greift er natürlich auch zu ernsthafter Lektüre. Nehmen wir zum Beispiel das letztgenannte Thema, oder vielmehr, was danach kommt: die Schwangerschaft.

Als der Theaterschriftsteller Andrew Cullen erfuhr, dass er Vater wird, beschloss er, die Zeit bis zur Geburt in einem Tagebuch festzuhalten und damit das Buch über werdende Väter zu schreiben, das er wohl selbst gerne gelesen hätte. „Der schwangere Mann“ ist Tatsachenbericht, romantische Komödie und Drama in eins.

Ich weiß nicht, ob ich für die Elternrolle geeignet bin. Ich gehöre einer Generation von Berufsjugendlichen an, die die Selbstgefälligkeit zur Religion erhoben hat. Kinder stellen permanent Ansprüche und sind nur mit sich selbst befasst – mit anderen Worten: Sie machen uns unsere Rolle streitig.

Vom Schwangerschaftstest bis zu den ersten Tagen nach der Geburt ist alles dabei. Alle Fragen, alle Freuden, alle Sorgen, alle Tränen, alles Glück:

Mit einem Mal schien unsere Zweizimmerwohnung winzig. Wo sollen wir das Kinderbett aufstellen? Was wird aus unserer Reise nach Peru? Will ich ein Baby? Was ist, wenn es behindert zur Welt kommt? Wie komme ich zu Geld?

Sonst sind Bücher über Schwangerschaft und Geburt ja meist von und für Frauen. Komisch ist es selten, peinlich oder skurril schon gar nicht. Geburtsvorbereitungskurse, in denen man mit wildfremden Menschen hecheln übt, sind aber genau das: Komisch, peinlich, skurril.

Andrew Cullen erzählt von großen und kleinen Veränderungen, die sich zwangsläufig ergeben. Will ich das alles eigentlich wirklich? Warum führt die Lektüre von Schwangerschaftsbüchern zu Hypochondrie? Was wird wie aus dem Sexualleben? Warum erzählt jede Hebamme etwas anderes? Und wo kann man parken?

Ich spreche jede Nacht mit unserer Tochter, und ich lausche ihrem Herzschlag. Doch wir wollen sie endlich auch in unseren Armen halten. Ich hege den Verdacht, dass das Elterndasein viel erfüllender als die Schwangerschaft ist.

Mann ist als Leser ein wenig beschämt, so sehr ins Private eines anderen zu blicken. Was das Buch so sympathisch macht, ist die Kunst des Autors, das eigene Verhalten zu reflektieren und dabei völlig menschlich und männlich zu bleiben:

Ich bat das Baby darum, nicht heute auf die Welt zu kommen. Heute ist Pokalfinale.

Bei Andrew Cullen ist nicht nur eine gesunde Tochter herausgekommen, sondern auch ein ernsthaftes, komisches und sehr sehr liebevolles Buch.

Große Ohren. Eine markante Oberlippe. Sie sieht aus wie Charlie Brown. 3338 Gramm. Ich habe Geburtstag. Sie ist das tollste Geschenk, das ich jemals bekommen habe.

 

Buchtipp: Andrew Cullen: Der schwangere Mann. Tagebuch aus einer parallelen Welt. Aus dem Englischen von Christoph Hahn. Das Buch ist gebunden, hat 440 Seiten, kostet € 19,90 und ist im Versand bei „Zweitausendeins“ (mehr...) oder in den „Zweitausendeins“-Läden erhältlich.

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