Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge vierundachtzig
Das Wort Gottes ist rund

Gestern habe ich im Fernsehen ein Fußballspiel gesehen, zufälligerweise. Eigentlich sehen wir praktisch gar nicht fern, aber ab und zu kontrolliere ich, ob die Kiste überhaupt noch geht, und wenn dann zufälligerweise gerade ein Fußballspiel läuft...

Fußball ist ein gottgegebenes Spiel, das ist allen Fußballfreunden klar. „Wer war der erste Torhüter?“, fragte mein Vater scherzend und antwortete selbst: „Jesus stand im Tor und seine Jünger standen abseits.“ Er lachte, aber irrte, ich habe nachgeschlagen. Der erste Torhüter – zumindest der erste namentlich genannte – hieß Schallum, die Ersatztorhüter Akkub, Talmon und Ahiman.

Also, ich teste den alterschwachen Apparat, schwupp, sitzt das Kind neben mir und guckt mit. Allerdings wartet es – verdorben von der sonnabendlichen Sportschau – auf den bunten quirligen Teil der Fußballwelt, die Werbung. „Hagebaumarkt, Papa, mach dein Ding!!“

Besonders angetan haben es ihm die Torhüter. Die erste Frage, wenn sich das Kind ins Plüsch sinken lässt, lautet unweigerlich: „Wo ist der Torwart??“ Und dann kommen viele weitere Fragen, wie das eben so ist bei kleinen Kindern. Die Fragen werden hartnäckig wiederholt, da kann ich noch so hartnäckig versuchen den hochinteressanten Ausführungen des Reporters zu folgen.

Reporter: „Elfmeter! Ist das die Möglichkeit?!“ Kind: „Oh Schande!! Elfmeter!! Papa, was ist ein Elfmeter??“ Erklären sie das mal in aller Ruhe, mit väterlicher Sorgfalt und in sich stimmig, wenn die dritte Minute der Nachspielzeit läuft und an diesem Elfmeter Wohl und Wehe eines ganzen Volkes hängt!

„Wer ist das?? Warum schreit der so?? Hat der sich weh getan?? Warum liegt der da jetzt rum?? Ist der jetzt tot?? Warum hat der dem den Ball einfach weggenommen?? Darf der das?? Warum hüpft der Mann am Rand so auf und ab??“

Das ist der Trainer. Was ist das, ein Trainer? So eine Art Chef. Ist Mama die Trainerin von unserer Kirche? Na ja, so ähnlich. Ich sinniere. Gar nicht so falsch, der Gedanke, der Pastor als Trainer der Mannschaft, die sich Gemeinde nennt. Er feuert seine Mitspieler, also seine Gemeinde, mit großem Elan an. Na ja, nicht alle Trainer sind so.

Das Wort des Herrn als Lied und Psalm und Predigt, das ist der Ball. Das Kirchgebäude ist das Stadion, der Gottesdienst das Spiel. Die Kirche in ihrer Gesamtheit ist der Fanclub Gottes, das Kreuz am Hals meiner Banknachbarin ein Fanartikel, der Gesang der Gemeinde der Gesang das „Olé, olé, olé, olé!“ der Fans. Das Läuten der Glocken markiert den Anstoß des Spiels, ja, wir finden sogar das Lattenkreuz, an das der Ball genagelt wird. Also das Wort. Also der Herr. Sogar die Trinkflaschen zur Ergötzung der Spieler in den kurzen Pausen gibt es in Form der Abendmahlskelche.

Und alle gemeinsam spielen sich den Ball zu, also das Wort des Herrn, und spielen das Spiel des Lebens. Na ja, nicht alle Spieler sind so. Manche Gemeinden sitzen in der Kirche wie Fernsehzuschauer in ihrem Sessel – dann ist das Spiel natürlich langweilig. Wieder andere sind aktive Fans und jubeln und singen ihre Lieder. Und die dritte Gemeinde gar, die spielt so richtig mit. Sie lebt das Spiel und trägt den Ball, also das Wort, von Station zu Station. Baut sich vor dem Tor, also dem Altar, auf und bringt ihren Gesang, ihr Wort, ihren Ball ins Ziel! Sie spielt das Spiel des Herrn!

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