Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge neunzig
Papa arbeitet (Vol. I)

Vor einigen Wochen war an dieser Stelle von den Zukunftsplänen der großen Lütten die Rede, von einer Karriere als Schnipselsammlerin und Kuscheltierpflegerin. Und wie die Eltern, nein, so wolle sie nicht werden. Für Verlage schreiben gar, wie Papa? „Nö. Weil ich schon ganz viele Auftrags hab.“

Was aber macht ein Kind, wenn es zu viele Auftrags hat? „Papa, ich hab morgen zehn Sachen vor!!“ „Huiii, das ist ja viel...“ „Das ist ernst, Papa!!“ „Ich finde das auch total süß!“ „Das ist NICHT witzig!! Dann bin ich morgen Abend so todmüde, dass ich nicht mehr Abendbrot essen kann!!“ Das Kind denkt ein wenig an diesen anstrengenden Aussichten herum. Und erleichtert sich: „Ach, Papa, ich lass fünf Sachen weg und mach nur drei!!“

Es ist immer wieder davon zu hören und zu lesen, dass in einer modernen Ehe und Familie beide Partner gleichberechtigt Geld verdienen und Kinder und Schweine füttern. Nun ist bei uns meine Frau für das Heranschaffen des größeren Teils des Haushaltsgeldes zuständig. Da sich mein Selbstwertgefühl nicht nur aus dem Füttern der Kinder und der Schweine speisen mag, erledige ich ab und an einige kleine Arbeiten am Schreibtisch – und schreibe zum Beispiel Beiträge für eine evangelische Wochenzeitung.

Jedenfalls solange mein Gott mich lässt. „In eines Mannes Herzen sind viele Pläne; aber zustande kommt der Ratschluss des Herrn.“ (Sprüche 19,21) Ins heutige Deutsch übersetzt: „In eines Papas Herzen sind viele Pläne; aber zustande kommt der Ratschluss des Kindes.“ Da nun der Herr bekanntlich mit den Kindern ist – „lasset die Kinder zu mir kommen!“ – ist es letztlich natürlich doch wieder der Ratschluss des Herrn, nur eben durch Mund und Tat des Kindes. Auch wenn das zu akzeptieren nicht immer leicht fällt.

Es steht aber auch geschrieben „Das Vorhaben im Herzen eines Mannes ist wie ein tiefes Wasser; aber ein kluger Mann kann es schöpfen.“ (Sprüche 20,5) Also will ich schöpfen. Doch wie sieht das konkret aus? Blicken wir zuerst auf einen ganz normalen Arbeitstag bei ganz normalen Menschen.

Einer, der hat einen nicht unwesentlichen Teil der Firma seines Chefs erfolgreich outgesourct und wurde vom Chef mit einem Schulterklopfen bedacht, was praktisch einer lukrativen Beförderung gleichkommt.

Der Nächste hat bei einem Routineflug über dem Land nicht nur Kühe erschreckt und beeindruckende Luftaufnahmen angefertigt, sondern auch ein Auto entdeckt, das versteckt im Wald geparkt wurde und vorher eine wichtige Rolle bei einem schweren Verbrechen spielte. Die Ermittlungsbehörden danken.

Der Dritte schließlich hat heute Nachmittag einem jungen Paar in den allerglücklichsten Stand der Ehe verholfen, einem Trauernden Trost gespendet und in vier wichtigen Telefonaten acht Probleme zu allseitiger Zufriedenheit gelöst.

Und nun blicken wir auf einen ganz normalen Arbeitstag bei einem ganz normalen Papa:

Ich schalte den Computer an, er surrt und summt leise, ich öffne das Programm, mit dem ich arbeiten möchte. Schon mit dem nächsten Mausklick öffnet sich... Nein, nicht eine Datei, sondern meine Arbeitszimmertür. „Duhu, Papa??“

In der nächsten Woche erfahren Sie dann an dieser Stelle, ob ich im weiteren Verlauf des Tages überhaupt noch zum Schreiben einer neuen Folge meiner Kolumne gekommen bin...

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