Das Kind
Erzählungen von Rainer Kolbe

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Folge achtunddreißig
Das elektrische Kind

Da wir gerade von den Esskünsten des Kindes sprachen: Vor ein paar Wochen las ich, dass Männer in der Küche viel mehr Geld ausgeben als Frauen. Nicht etwa für Nahrungs- & Genussmittel, oh nein, sondern für Hightech: Das behauptete zumindest Reinhold Metz, Präsident des Verbandes der Köche in Deutschland. Und er warnte vor teuren Elektrogeräten, die in der Praxis nie benutzt werden.

Ich erinnere mich, dass meine Mutter – damals, als ich noch ein kleiner Junge war – einen elektrischen Dosenöffner besaß. Der war umständlich zu bedienen und funktionierte auch nicht sehr lange. Meine Großmutter hatten eine rote Klara am Türpfosten in der Küche, die war zwar auch nicht schön, aber unverwüstlich.

Vor einigen Tage bekam ich eine Werbemail, es wurden Kinderklamotten und Spielzeug beworben, letzteres zumeist mit Batterien. Da waren hübsch-hässliche Sachen dabei. Ich besah mir neugierhalber auch die dazugehörige Internetseite und blieb ein wenig im Internet hängen und forschte noch weiter. Und fand allerlei Elektrozeug, das erwachsene Menschen anschaffen, um ihren Kindern das Leben schwer zu machen. Nun ist unser Kind dem Kleinkindalter zwar entwachsen, doch ein liebender Vater kann sich noch gut erinnern, so lange ist das ja nicht her. Was einem aus purer Unwissenheit alles entgangen ist!

Vielleicht haben Sie schon mal einen Babywipper gesehen. Das ist so eine Art gepolsterte Wanne, in die man sein Kind legt, und dann gibt man dem Ding ab und zu einen Tritt, und das Kind wird hin und her geschaukelt. Wenn man beide Hände gerade voll hat, dann ist so ein Wipper vielleicht nicht unpraktisch. Doch wussten Sie, dass es so etwas auch mit eigenem Elektromotor gibt? Da muss man dann noch nicht gegentreten, das erledigt die Technik. Wie sich ein solcher Art technisch gewiegtes Kind wohl fühlen mag?

Es gibt Mobiles mit Antrieb, singende Plastikhunde, pupsende Puppen. Alles mit Batterien.

Bald aber stieß ich bei meiner Internetrecherche auf das Nonplusultra: Den „Babygeher mit Spielcenter“. Das Ganze ist eine Art Gestell mit „abnehmbarem Sitzeinhang“, das Kind hängt irgendwie darin. Die Höhe des Sitzeinhanges ist variabel, und wenn die Füßchen so gerade bis zum Boden reichen, dann kann das Gestell auf seinen vier Rollen rollen, und das Kind kann mit seinen Beinchen Schrittchen macht. Da es gleichzeitig im Sitzeinhang hängt, kann es auch nicht umfallen.

Aber es wird keine Schrittchen machen, denn warum sollte es das tun? Unmittelbar vor dem lässig hängenden Kind befindet sich ja das Spielcenter, das ist so eine Art Armaturenbrett. Es hat fünf Leuchttasten und verschiedene Tonmodi (sic!): Auf Knopfdruck gibt es Trommeltöne, fünf Tiergeräusche, fünf ansteigende Töne und Melodien. In zwei Lautstärken. Und das Ganze kostet nur siebzig Euro! (Batterien bitte extra bestellen!)

Übrigens hat das Gestell „sechs integrierte Bremsen“. Meint: Das Kind wird eingehängt und dann nebenan arretiert. Und jetzt sehe ich also ein Kind nebenan in diesem Gestell arretiert und Tasten des Armaturenbretts drücken, einige Töne steigen vom Spielcenter auf. Und dann sehe ich das Kind einige Jahre später im Sessel arretiert und Tasten der Fernbedienung drücken, einige Töne steigen vom Fernseher auf.

Hat leider nicht richtig geklappt mit dem Laufenlernen.

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