Rainer Kolbe - Das Kind

 

168 Krökrö und Computer

Die Kakophonie hat ein Ende, und alle haben Glück: Krökrö ist da! Der Ganzlütte hat Glück, weil er drinsitzen darf, und ich habe Glück, weil dann die „Krökrö“-Rufe erstmal beendet sind. Erstmal.

Es ist vielleicht an der Zeit zu erläutern, was „Krökrö“ bedeutet. Ursprünglich bedeutete das Wort „Trecker“, das ist klar, das hört man ja: Krö-krö. Tre-cker. So ganz allmählich hat der Ganzlütte die Bedeutung erweitert, und so steht das Wort jetzt auch für diese unsägliche Kreuzung zwischen Einkaufswagen, Kinderkarre und Bobbycar: Vorne unten sitzt das Kind in einer einem Auto nachgeformten Plastikschale und hupt und versucht zu „lenken“, hinten oben lade ich die Einkäufe in den Wagen und versuche ebenfalls zu lenken: Das Monstrum ist gefühlte fünfeinhalb Meter lang, damit muss man in den Gängen des Supermarktes erstmal klar kommen.

Da bekommt die Frage „Wann ist ein Mann ein Mann?“ doch einen ganz neuen Klang: Muss ich mir das eigentlich antun, so ein hässliches Teil vor mir herzuschieben? Ja, ich muss.

Zwar gibt es Alternativen: Der klassische Einkaufswagen etwa, er bietet eine Sitzmöglichkeit für kleine Kinder. Aber eher für die ruhigen. Die anderen ziehen in einem unbeobachteten Moment die Beine nach oben, stellen sich hin, wollen aussteigen und tun das auch und fallen mit Glück nicht nach vorne, anderthalb Meter weiter unten auf die Fliesen, sondern nach hinten, wahlweise auf das Windelpaket oder ins Gemüse.

Eine weitere Alternative ist die Rückentrage, die ich ja extra für diesen Einkauf in den Kofferraum geladen habe. Der Ganzlütte mag es, herumgetragen zu werden, er genießt die Aussicht aus luftiger Höhe. Doch wenn es ein größerer Einkauf wird mit mehreren Geschäften und Wegstrecken zwischen ihnen, dann artet das schnell in Kraftsport aus: Der Ganzlütte ist kein Ganzleichter.

Nebenbei: Es soll Kinder geben, die ganz ohne technischen Schnickschnack artig an der Seite ihren Eltern gehen und nicht unbedingt ausprobieren müssen, ob sich die Zahnkrem schon hier im Supermarkt aus der Tube drücken lässt und die auch nicht begeistert „Ball!!“ rufen, wenn sie Äpfel entdecken, und dann das tun, was man gemeinhin mit Bällen zu tun pflegt. Soll es geben, solche Kinder.

Nun fragen Sie sich zurecht: Wo ist die Große? Schließlich geht es um sie in dieser Kolumne doch eigentlich. Aber die ist längst weg. „Papa?? Darf ich an’n Computer??“, und schwupp. Unser Supermarkt hat nämlich ein Gerät, an dem das Kind mit dem Finger auf dem Monitor malen oder Memorys lösen kann.

Unser aller Problem: Sowohl vom Krökrö als auch vom Kindercomputer gibt es jeweils nur ein Exemplar. Mit den vorstellbaren Folgen für die Laune beider Kinder, wenn andere Familien knapp vor uns da sind. Ja, man ertappte sich schon dabei, noch auf dem Parkplatz mit anderen Eltern über die Dauer der jeweiligen Nutzung von Krökrö zu diskutieren... Im Februar aber ist Nebensaison, und alles ist gut.

Doch nach einigem Herumkurven und Gehupe ist dem Ganzlütten ohnehin langweilig und er versucht, aus Krökrö auszusteigen. Das ist dann der Zeitpunkt, Krökrö neben den Computer zu parken: Das Kind löst malt mit dem Finger Figuren, der Ganzlütte guckt seiner großen Schwester begeistert zu, und ich kann in großer Ruhe die letzten Reste des Einkaufs zusammensammeln: Spinat, Salat und Spiegelei.

Damit auch auf der Rückfahrt lauthals gesungen werden kann.

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